Was die Balanced Scorecard in Non-Profit-Organisationen bewirkt
Unter dieser Überschrift kam am 01. April 2011 eine Runde aus Vertretern vorwiegend kirchlicher Organisationen in Berlin zusammen. BSC-Anwärter wie BSC-Pioniere tauschten einen Tag lang Erfahrungen aus, verglichen Theorie und Praxis, knüpften Kontakte. Martin Engelbrecht, LBU Systemhaus AG, und Stefan Leister, Katholische Jugendfürsorge Augsburg, lieferten als Anwender -Experten Inputs und Reibungsflächen, zu denen diskutiert wurde.
Gemeinsame Sicht aller Beteiligten auf die Frage nach der Wirkung: Vor allem anderen setzt die BSC einen Reflexionsprozess in Gang, der im Idealfall über das Betrachten und Hinterfragen der aktuellen Situation zur Auseinandersetzung mit dem “Schmerzpunkten” der Organisation führt.
Wo die BSC – ursprünglich als Instrument der Strategieumsetzung erdacht – Anlass für die Entwicklung einer Organisationsstrategie ist, zeigt sich diese Wirkung besonders deutlich. Zentrale Frage ist: Ist die Organisation mit ihren tradierten Strukturen und Abläufen, ihrer Kommunikations- und Entscheidungspraxis strategiefähig? Welche Punkte sind ggf. zu entwickeln, um die nötige BSC-Reife zu erlangen?
Die BSC verlangt nach Festlegung und Verbindlichkeit. Sie verlangt nach Entscheidungen.
In Organisationen mit synodalen Strukturen eine echte Herausforderung. Je mehr Personen an der Formulierung von Zielen und Messkriterien beteiligt sind, desto langsamer und politisch aufgeladener wird die Entwicklung der Scorecard. Doch nicht nur das. Die Definition von Zielen zieht ihre Überprüfung nach sich. Die Messbarkeit pädagogischer Erfolge etwa ist umstritten und durch die Mitwirkung der Leistungsempfänger am “Produkt” erschwert. Leistungsmessung ist hier mühsam und war in Organisationen der Sozialwirtschaft lange unüblich. Dementsprechend begegnet häufig noch ein Unbehagen gegenüber einer Festlegung auf Ziele und Messkriterien, so ein Teilnehmer.
Die BSC richtet den Blick auf die Problematik von Konzern- und Teilstrukturen.
An einer “Ecke der Organisation” muss die Entwicklung einer BSC beginnen. Doch unabhängig von der Frage, ob top-down oder bottom-up das bevorzugte Vorgehen ist, ist in diesem Zusammenhang zu klären, wie weit die strategischen Kompetenzen der einzelnen Teileinheiten reichen. Angesichts der Komplexität von Verbandstrukturen und unterschiedlichen Gesellschaftsformen ist das nicht immer eindeutig. Wie groß ist die Selbständigkeit einzelner Bereiche? Wie stark nimmt die Gesamtleitung ihre Verantwortung als integrierende Kraft wahr? Wo dies unklar ist, bewirkt die BSC einen Klärungsprozess. Sie verlangt im Zweifelsfall nach Feinschliff – und manchmal auch mehr – an den Strukturen.
Die BSC verlangt nach konsequenter Übernahme von Führungsverantwortung.
Strategiearbeit ist Führungsaufgabe. Auch hierin waren sich alle Teilnehmer der Klausur einig. Die Führungsfrage ist aber in vielen Non-Profit-Konstrukten nicht zuletzt durch das Nebeneinander von hauptamtlichen Geschäftsführungen, ehrenamtlichen Vorständen und einer Vielzahl Einfluss nehmender Interessengruppen kompliziert. Dennoch bleibt die Entschlossenheit der obersten Führungsebene zur Formulierung und Umsetzung einer Strategie der entscheidende Erfolgsfaktor bei der Arbeit mit der BSC. Dazu gehört zum einen, über die Verteilung von strategischer Arbeit und Mitwirkung der Führungsmannschaft im operativen Geschäft nachzudenken und ggf. Entlastung zu schaffen. Zum anderen die Bereitschaft der Leitung, sich selbst und ihre Entscheidungen überprüfbar zu machen. Denn diese Transparenz wird mit der Einführung einer BSC hergestellt.
Anschub und Irritation
Was die Balanced Scorecard in Non-Profit-Organisationen bewirken kann ist also Reflexion – “der ehrliche und ungeschönte Blick auf die Realität”, wie eine Teilnehmerin es nennt – , Orientierung durch Festlegung, Entwicklung von Entscheidungsfähigkeit, Nachdenken über Führungsverständnis und Organisationsstrukturen, letztlich ein Veränderungsprozess mit allen Chancen zur Verständigung über gemeinsame Ziele, zum Nachdenken über ihren Organisationszweck und ihr Unterscheidungsmerkmal gegenüber anderen Organisationen – die Chance auf Profilgewinn.
Christiane Baer unterstützt Sie bei Ihrer strategischen Arbeit. Zum Beispiel mit dem Praxistag BSC, Workshops zur Profilschärfung und den nötigen Umsetzungskonzepten.