Bewegung Verkörpern – Erkundungsklausur 2012

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Was die Balanced Scorecard für die Führung in kirchlichen und sozialen Organisationen bedeutet

Erfahrungen austauschen, Impulse aufnehmen, Kontakte knüpfen. Nunmehr im zweiten Jahr kamen am 06. Juli Vertreterinnen und Vertreter kirchlicher und sozialer Organisationen in Berlin zusammen. Im Rahmen der Erkundungsklausur „Bewegung verkörpern“ ging es einen ganzen Tag um das Thema BSC und Führung.

Christiane Gülcher, Beratung und Entwicklung und Hans-Georg Liegener, Geschäftsführer des Caritasverbands für die Region Krefeld e.V. und der Krefelder Caritasheim gGmbH, spannten mit ihren Referaten den Bogen für die Diskussion.

Von grundsätzlichen Betrachtungen zu Nutzen und Anforderungen des Instruments aus Beratersicht hin zu Praxis-Einblicken in Fallstricke und Chancen einer BSC-Einführung.

BSC – bei sozialen Organisationen weiter im Trend

Besonders bei sozialen Organisationen steht das mittlerweile 20 Jahre alte Instrument weiterhin hoch im Kurs, der Begriff gilt teilweise als geflügeltes Wort.

Zwei Aspekte tragen wesentlich dazu bei: Die BSC bildet, anders als andere Steuerungsinstrumente, auch nicht-finanzielle Kennzahlen ab. Sie lässt Raum für den Organisations-zweck. Und: Sie ist ein wenig dogmatisches Managementsystem. Es kann flexibel eingesetzt, individuell angepasst werden. Das kommt strukturellen und kulturellen Besonderheiten sozialer Organisationen entgegen.

Die versprochene breite Einsetzbarkeit, der vielfach mögliche Nutzen sind aber auch eine Last.

Enttäuschungen sind vorprogrammiert, wenn die Erwartungen an das Instrument unklar sind.

Nach einhelliger Auffassung erhoffen sich Führungskräfte von einer BSC vor allem eine bessere Steuerung und mehr Transparenz, gemeinsame Ziele und eine Handhabe, auch wenig griffige Ziele zu verwirklichen. Die BSC verspricht all das und noch mehr. Den Anlass zur Beschreibung von Strategien, ein Vehikel der Strategiekommunikation, die Aufhebung versäulten Denkens, Qualitätssteigerung, letztlich einen Vorteil im Wettbewerb. Umgekehrt verlangt sie dafür Führungskräften einiges ab.

Sind die Erwartungen der Organisation an das Instrument BSC nicht klar definiert und werden die entsprechenden Anforderungen der BSC an eine Organisation und ihre Führung nicht offen betrachtet, ist das Ergebnis oft enttäuschend.

Die BSC kommt ursprünglich aus dem Performance Measurement. In Ihrer Logik ist einfach. Es geht um Leistungssteigerung zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen.

Führung heißt in der BSC-Logik vor allem eines: Steuerung. Ziele definieren, Ergebnisse überprüfen und bewerten, bei Abweichungen Gegenmaßnahmen einleiten oder Entschei-dungen revidieren. Dieses Entscheiden und Richtung weisen verlangt nach permanentem Feedback, der Bereitschaft, Prioritäten zu setzen – folglich manche Dinge nicht zu tun – und Konflikte auszuhalten. Alles in allem Anforderungen an die Beweglichkeit von Führung, die der Leitungslogik kirchlicher und sozialer Organisationen nur teilweise entspricht.

Kirchliche und soziale Organisationen ticken zweifach.

Sie unterliegen einer Art Doppellogik, schwankend zwischen dem Dienstleistungsunternehmen mit konzernartigen Strukturen und dem Gedanken der Gemeinschaft. In ihrer Führungslogik geht es weniger um das Steuern. Führung soll hier Dienstleistungen ermög-lichen aber zugleich Gemeinschaft aktualisieren. Sie soll bewegen und verkörpern. Zentraler Aspekt von Führung ist damit das Aushalten von Ambivalenzen.

Unterschiedliche Symptome dieser Spannungsfelder werden hier beschrieben: Gegenläufige Interessen innerhalb des Leitungsteams, doppelt besetzte Vorstände – geistliche und kaufmännische Leitung – oder das diffuse Gefühl von Leitungsverantwortlichen, nicht über ausreichend Zeit für „das Eigentliche“ zu verfügen. Allerdings, so ein Teilnehmer: „Die BSC bietet die Chance, die Auseinandersetzung um solche Spannungsfelder abzubilden, auf eine sachliche Ebene zu bringen und zu bearbeiten.“.

Die BSC verlangt nach der Professionalisierung von Führungs- und Aufsichtsgremien.

Leistungsmessung ist nur sinnvoll, wenn das Messergebnis Relevanz für das weitere Handeln der Organisation hat. Doch werden immer wieder Ergebnisse lediglich erfasst, bleiben ohne Folgen. Hier wird die bisweilen konfliktscheue Kultur kirchlicher und sozialer Organisationen zum Anwendungsproblem der BSC.

Eine Stimme: „Wir haben gedacht, mit der Schulung der Führungskräfte zum Instrument BSC wäre es getan. Weit gefehlt. Es braucht auch die Arbeit an der Führungskultur.“ Langer Atem ist nötig, wenn es etwa darum geht zu lernen, über Misserfolge und unzureichende Leistungen zu sprechen. Unternehmerisches Denken ist gefragt, was – wo es zu Blühen kommt – Aushandlungsprozesse erschweren kann. Führung, die bislang vor allem über einen Status definiert war und repräsentiert hat, wird anfragbar. Ein völlig neues Führungsverständnis steckt dahinter. Manche Führungskraft kann es verprellen. Steuerung muss mit allen Konsequenzen gewollt sein und von treibenden Kräften gelebt werden.

Angesichts der Notwendigkeit eines kulturellen Wandels – hier waren sich alle Teilnehmer einig – ist die BSC im kirchlichen und sozialen Umfeld kaum zur schnellen Umsteuerung oder gar Krisenintervention (eines ihrer ursprünglichen Anwendungsfelder) einsetzbar. Der Nutzen als strategisches Managementsystem entfaltet sich hingegen umso mehr, je größer die Bereitschaft ist, tradiertes Führungsverhalten zu hinterfragen und kulturelle Muster zu reflektieren. Im Umgang mit Ambivalenzen ist Führung in kirchlichen und sozialen Organisationen erprobt. Hier heißt das: Die BSC nutzen heißt Bewegung verkörpern.

Christiane Baer unterstützt Sie bei der Arbeit an Ihren strategischen Themen ebenso wie im kulturellen Wandel. Zum Beispiel mit Angeboten zum Beziehungs- und Veränderungsmanagement.